In jüngster Zeit rütteln Forderungen der AfD an den Grundfesten unserer demokratischen Ordnung. Mit lautem Nachdruck präsentiert die Partei ein Programm, das „mehr Volksnähe“ und eine „Rückkehr zu nationaler Souveränität“ verspricht. Doch was verbirgt sich hinter diesen Schlagworten? Bei genauerer Betrachtung offenbart sich ein Plan, der einige der wichtigsten Prinzipien unseres Grundgesetzes ins Wanken bringen könnte. In einem beunruhigenden Rückblick lassen sich dabei auch Parallelen zu den finstersten Kapiteln der deutschen Geschichte erkennen.
Die AfD fordert die Einführung einer direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild, was verlockend klingt, aber mit erheblichen Risiken verbunden ist. Deutschland ist eine repräsentative Demokratie – und das mit gutem Grund. Die parlamentarische Ordnung sorgt dafür, dass komplexe politische Entscheidungen nicht in der Hitze populistischer Stimmung getroffen werden. Doch die AfD will das Parlament an die kurze Leine nehmen und die Macht in die Hände des Volkes legen – jederzeit und zu jeder Frage. Artikel 20 unseres Grundgesetzes, der das Prinzip der repräsentativen Demokratie schützt, würde so auf eine harte Probe gestellt. Was auf den ersten Blick nach Bürgernähe klingt, droht, die sorgfältig ausbalancierte Gewaltenteilung auszuhebeln.
Ähnlich gravierend sind die Pläne der AfD zur Beschneidung der Parteienmacht. Der Einfluss der Parteien, so behauptet die AfD, sei zu groß, sie hätten das Volk entfremdet. Die Partei strebt eine rigorose Kontrolle an, bis hin zur zeitlichen Begrenzung der Mandate von Abgeordneten. Doch damit rührt sie an den Grundpfeilern unserer Verfassung. Artikel 21 des Grundgesetzes sichert den Parteien einen festen Platz in der politischen Willensbildung. Eine Einschränkung dieser Rolle würde das Fundament unserer Demokratie infrage stellen. Die Beschränkung der Amtszeit von Mandatsträgern, wie die AfD es fordert, droht zudem die notwendige Kontinuität im Parlament zu untergraben und politische Stabilität zu gefährden.
Ein weiterer Kernpunkt ist der Ruf nach „nationaler Souveränität“. Die AfD will Deutschland zurück in die Grenzen der Eigenstaatlichkeit führen und die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union auf ein Minimum reduzieren. Dabei stört vor allem der Euro – die Gemeinschaftswährung, die Deutschland angeblich in unverantwortliche Schuldenfallen lockt. Was die AfD dabei verschweigt, ist, dass Deutschland sich durch die Unterzeichnung der EU-Verträge an diese Währung gebunden hat. Ein Austritt aus der Eurozone ohne vollständigen EU-Austritt ist rechtlich kaum denkbar, und die Verpflichtungen zur europäischen Integration sind fest in Artikel 23 und 24 des Grundgesetzes verankert. Ein solcher nationaler Alleingang würde das europäische Bündnis nicht nur destabilisieren, sondern Deutschland ins Abseits führen.
Besonders beunruhigend ist auch der strikte Kurs der AfD in der Asyl- und Migrationspolitik. Mit Forderungen nach einer drastischen Verschärfung der Asylgesetze stellt die AfD Artikel 16a des Grundgesetzes infrage, der politisch Verfolgten Schutz gewährt. Die Würde des Menschen, die als unantastbares Recht in Artikel 1 verankert ist, würde dadurch massiv gefährdet. Die Vorstellung, Menschen in Not kategorisch abzuweisen, lässt die Frage aufkommen, ob wir uns tatsächlich wieder in einer Zeit befinden, in der humanitäre Prinzipien von der politischen Tagesordnung verdrängt werden.
Der Datenschutz, eines der grundlegenden Rechte, die aus Artikel 10 des Grundgesetzes hervorgehen, ist ebenfalls in Gefahr. Die AfD fordert eine Lockerung des Datenschutzes für Straftäter. Unter dem Vorwand, die innere Sicherheit zu stärken, sollen Grundrechte eingeschränkt werden. Der Preis, den wir dafür zahlen, könnte jedoch hoch sein: Ein Staat, der die Privatsphäre selektiv schützt, verliert rasch das Vertrauen seiner Bürger.
Wenn wir die Forderungen der AfD in ihrer Gesamtheit betrachten, wird klar, dass hier eine Rückkehr zu nationalen Prinzipien versprochen wird, die mit einer freiheitlichen Demokratie nur schwer vereinbar ist. Die Ansichten der AfD erinnern in beunruhigender Weise an die NSDAP von 1933, die ebenfalls auf eine strenge Kontrolle der Macht und eine nationalistische Neuausrichtung drängte. Die NSDAP hatte damals ähnliche Pläne, den Staat zu zentralisieren und den Einfluss der Parteien zu beschneiden. Auch sie stellte das Prinzip der parlamentarischen Demokratie infrage und stellte das Wohl der „Nation“ über internationale Zusammenarbeit und Solidarität.
Das Grundgesetz, das aus den Trümmern des Nationalsozialismus und des Krieges hervorgegangen ist, soll genau solche Rückschritte verhindern. Die bewusste Entscheidung für eine repräsentative Demokratie, eine starke Parteienlandschaft und eine offene Gesellschaft steht im Kontrast zu den Forderungen der AfD. Die Geister der Vergangenheit sollten uns mahnen, wachsam zu bleiben. Deutschland ist zu einem freien, demokratischen und friedlichen Land geworden, weil es sich für eine Verfassung entschied, die die Macht schützt und Missbrauch verhindert.
Es bleibt zu hoffen, dass diese demokratischen Errungenschaften nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Die Forderungen der AfD mögen viel versprechen, doch in Wahrheit könnten sie ein Rückschritt in eine Zeit bedeuten, die wir längst überwunden geglaubt haben. Ein Staat, der seine Bürger wirklich schätzt, wird nicht die Brücken zur Zusammenarbeit abbrechen oder die Grundrechte einschränken. Der deutsche Rechtsstaat muss auch in stürmischen Zeiten auf seinem Kurs der Vernunft bleiben und sich nicht von nationalistischen Sirenengesängen verführen lassen.