Meine persönliche Wahlrede zur Wahl des Direktkandidaten des Wahlkreises 23 für die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich schätze es sehr, wenn Kandidatinnen und Kandidaten sich mit einer persönlichen Rede zur Wahl stellen. Leider empfinden dies viele als unangenehme Pflicht. Aus meiner Sicht kann man jedoch nur durch eine solche Rede die wahre Motivation der Kandidatin oder des Kandidaten erkennen. Daher möchte ich hier meine emotionsgeladene Rede präsentieren, die ich vor einigen Wochen vorbereitet habe, die jedoch aus persönlichen Gründen nicht mehr gehalten werden konnte.

Viel Freude beim Lesen.

Liebe Freundinnen und Freunde,

heute stehe ich vor euch mit großer Demut und tiefem Engagement, um mich als Direktkandidat für den Wahlkreis 23 bei der kommenden Landtagswahl 2024 zu bewerben. Mein Name ist Jens Borsdorf, ich bin 42 Jahre alt, Vater von vier wunderbaren Kindern und von Beruf IT-Systemadministrator. In meiner Freizeit widme ich mich als angehender Wildnispädagoge, leidenschaftlicher Angler und Wanderer der Natur, die mir besonders am Herzen liegt. Ich lebe mit meiner Familie in Zossen, und es ist mir eine Herzensangelegenheit, unsere Heimat lebenswerter, gerechter und nachhaltiger zu gestalten.

Warum stehe ich hier vor euch? Weil ich fest daran glaube, dass der Wandel, den wir herbeiführen müssen, nicht nur grün, sondern auch gerecht sein muss. Die Klimakrise betrifft uns alle, aber die Auswirkungen sind ungleich verteilt. Diejenigen, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, sind oft diejenigen, die am stärksten darunter leiden. Diese Ungerechtigkeit können und dürfen wir nicht hinnehmen.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem älteren Herrn in Zossen, der mir erzählte, wie er sich Sorgen um die steigenden Energiekosten und die Zukunft seiner Enkel macht. Oder an die alleinerziehende Mutter, die zwischen zwei Jobs jongliert und sich fragt, wie sie den nächsten Winter überstehen soll. Diese Menschen haben oft andere Prioritäten, als sich um den Klimawandel zu kümmern – sie kämpfen jeden Tag ums Überleben.

Genau hier sehe ich die Chance und die Verantwortung unserer Sozialpolitik. Wenn wir zeigen, dass grüne Politik nicht nur bedeutet, die Umwelt zu schützen, sondern auch die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und soziale Gerechtigkeit zu fördern, können wir die Herzen und Köpfe vieler Menschen gewinnen. Eine starke soziale Infrastruktur, gerechte Bildungschancen und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik sind der Schlüssel, um die notwendige Akzeptanz für unsere Klima- und Umweltpolitik zu schaffen. Lasst mich dies anhand von drei zentralen Punkten näher erläutern:

Erstens: Ausbau der sozialen Infrastruktur

Eine starke soziale Infrastruktur ist das Rückgrat einer gerechten Gesellschaft. In Teltow-Fläming haben wir bereits Fortschritte gemacht, aber es gibt noch viel zu tun. Der Landkreis Teltow-Fläming, wie viele Regionen in Brandenburg, steht vor demografischen Herausforderungen. Die Bevölkerung altert, und es gibt einen wachsenden Bedarf an sozialer Unterstützung und Pflegeinfrastruktur. Gleichzeitig haben wir eine Zunahme an Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Aktuelle Daten zeigen, dass die Armutsquote in Brandenburg bei etwa 17% liegt, was höher ist als der Bundesdurchschnitt. Im Landkreis Teltow-Fläming sind etwa 12% der Bevölkerung auf Grundsicherung angewiesen. Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen eine Perspektive zu bieten. Wir müssen den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum sichern. Wohnprojekte, die energieeffizient und nachhaltig sind, können hier zweifach wirken: Sie schaffen Lebensraum und schonen gleichzeitig die Umwelt.

Weiterhin müssen wir die Gesundheitsversorgung stärken. Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum Brandenburgs ist oft unzureichend. Wir brauchen mehr Ärzte und Pflegekräfte sowie besser ausgestattete Krankenhäuser und Gesundheitszentren. Telemedizin kann hierbei eine wichtige Rolle spielen, um insbesondere älteren und weniger mobilen Bürgern den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern.

Zweitens: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit

Bildung ist der Schlüssel zur Chancengleichheit und zum sozialen Aufstieg. In Brandenburg und speziell in unserem Wahlkreis gibt es deutliche Unterschiede in der Bildungsqualität und den Bildungschancen. Die Schulabbrecherquote in Brandenburg liegt bei rund 9%, während sie bundesweit bei etwa 6% liegt. Im Landkreis Teltow-Fläming ist die Situation ähnlich besorgniserregend.

Als IT-Systemadministrator im Bildungsbereich, tätig vom Kindergarten bis zur Oberschule, stehe ich im stetigen Austausch mit Erziehern und Lehrenden. Diese Gespräche haben mir tiefe Einblicke in die Herausforderungen und Bedürfnisse unserer Bildungseinrichtungen gegeben. Wir müssen sicherstellen, dass jedes Kind die bestmöglichen Bildungschancen erhält, unabhängig von seiner sozialen Herkunft. Das bedeutet, dass wir massiv in Schulen investieren müssen. Marode Schulgebäude und fehlende digitale Ausstattung dürfen nicht der Standard sein. Jedes Klassenzimmer muss mit moderner Technik ausgestattet sein, um den Anforderungen der digitalen Welt gerecht zu werden.

Gleichzeitig brauchen wir mehr Lehrer und kleinere Klassen. Der Lehrerberuf muss attraktiver gemacht werden, durch bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Zudem sollten wir in außerschulische Bildungsangebote investieren, um Kindern aus benachteiligten Familien zusätzliche Lernmöglichkeiten zu bieten.

Besonders wichtig ist mir die frühe Förderung. Kindergärten und Vorschulen müssen nicht nur Betreuungs-, sondern auch Bildungseinrichtungen sein. Eine gute frühkindliche Bildung legt den Grundstein für den weiteren Bildungsweg und kann soziale Ungleichheiten bereits im frühen Alter ausgleichen.

Drittens: Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik

Eine grüne Wirtschaftspolitik muss nicht nur ökologisch, sondern auch sozial nachhaltig sein. In Brandenburg, einem Bundesland, das stark von traditionellen Industrien und der Landwirtschaft geprägt ist, müssen wir den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft aktiv gestalten. In Teltow-Fläming gibt es zahlreiche mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden. Diese Unternehmen müssen wir unterstützen, damit sie umweltfreundlicher und zugleich wettbewerbsfähig bleiben können.

Die Arbeitslosenquote in Brandenburg liegt aktuell bei etwa 5,7%, im Landkreis Teltow-Fläming sogar etwas niedriger. Dennoch ist die Beschäftigung oft prekär und viele Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Wir müssen dafür sorgen, dass neue, grüne Arbeitsplätze entstehen, die gut bezahlt und zukunftssicher sind. Dies erreichen wir durch gezielte Investitionen in erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft und grüne Technologien.

Ein konkretes Beispiel ist der Ausbau der Windenergie. Brandenburg ist bereits ein Vorreiter in der Nutzung erneuerbarer Energien, aber es gibt noch viel Potenzial. Durch den Ausbau der Windenergie können wir nicht nur die Energiewende vorantreiben, sondern auch neue Arbeitsplätze in der Region schaffen. Dabei ist es wichtig, die lokale Bevölkerung einzubinden und von den wirtschaftlichen Vorteilen profitieren zu lassen.

Zusätzlich setzen immer mehr Gemeinden bei ihrer Wärmeplanung auf Photovoltaik, sowohl in städtischen Bereichen als auch auf großen Solarflächen. Die Evaluierung und Umsetzung solcher Projekte wird nicht nur zur Energieunabhängigkeit beitragen, sondern auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten und wirtschaftlichen Nutzen für unsere Region schaffen.

Auch die Förderung von Start-ups und Innovationen im Bereich der grünen Technologien ist entscheidend. Junge Unternehmen, die nachhaltige Lösungen entwickeln, können nicht nur zur Reduktion von CO2-Emissionen beitragen, sondern auch die Wirtschaftskraft der Region stärken. Hierfür benötigen wir ein unterstützendes Umfeld, das von der Bereitstellung von Risikokapital bis hin zu Gründerzentren reicht.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir stehen vor großen Herausforderungen, aber auch vor großen Chancen. Mit einer Politik, die soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung miteinander verknüpft, können wir eine Zukunft gestalten, die sowohl unseren Planeten schützt als auch allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht.

Ich bitte euch um euer Vertrauen und eure Unterstützung, um diesen Wandel gemeinsam voranzutreiben. Lasst uns gemeinsam für eine grüne und gerechte Zukunft kämpfen – für unseren Wahlkreis 23 und für das ganze Land Brandenburg.

Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit und euer Vertrauen.

Dies war meine Rede. Mit ihr schließe ich ein Kapitel meines Lebens ab. Nach dem Tod meiner Tochter habe ich mir geschworen, nie wieder etwas zu tun, das mir die Freude nimmt oder in einer Umgebung zu arbeiten, die so toxisch ist, dass es nur noch purer Stress ist.


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